11
Dezember
2014

Welpenschutz? von Dominik Jahn

gesehen in der echo am Mittwoch (Heilbronn) vom 19. November 2014


Illegaler Handel mit jungen Hunden ist inzwischen fast lukrativer als Drogenhandel

Welpenschutz?

von Dominik Jahn

Sie sind total süß und flauschig - und kosten nicht gerade wenig Geld: Hundewelpen können bis zu 2.000 Euro kosten.
Eigentlich!
Denn immer wieder finden sich im Internet vermeintlich seriöse Züchter, die die knuddeligen Vierbeiner zu Dumpingpreisen anbieten. Klarer Fall von illegalen Welpenhandel.
Und der hat seine Folgen.
So wurde zum Beispiel Anfang des Jahres 74 Welpen bei Nürnberg aus einem Transporter aus der Slowakei gerettet. Doch die Tiere waren viel zu jung für einen solchen Trip. Einige der Hunde überlebten die Tortur nicht. Auch die Aufzucht in den sogenannten Hundevermehrstationen erfolgt unter tierschutzwidrigen Bedingungen.
Silke Anders, Vorsitzende des Tierschutzvereins Heilbronn und Umgebung kennt die Problematik. Allerdings seien solche Transporte in der Heilbronner Gegend eher selten.
Dafür gibt es ein anderes, nicht weniger großes Problem: private Züchter.
Anders: "Sie arbeiten ohne Kenntnis. Wollen nur möglichst viel Geld verdienen. Es ist allerdings nicht verboten."
Und da liegt das Problem: Denn nicht selten befinden sich, wie beim illegalen Handel im großen Stil, die Tiere in einem schlimmen Zustand. Mangelnde Impfungen bringen Krankheiten mit sich. Allgemeine Schwäche, Augen- und Nasenfluss sowie Husten und Lahmheiten sind laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (bmel) die auffälligsten Signale, dass der Händler ein schwarzes Schaf ist.
Gerade zu Weihnachten kommen viele Menschen in Versuchung, mal eben einen putzigen Welpen auf den Gabentisch zu setzen.
Worauf sollte man achten?
Anders: "Das ist schwer. Wichtig wäre es, die Mutter zu sehen. Die Tiere sollten entwurmt und auch geimpft sein. Man sollte auch die Umgebung betrachten. Und die Papiere der Tiere sollten vollständig sein. Der Rest ist Bauchgefühl."
Nicht zuletzt sollte man die zahlreichen Tiere in den Tierheimen nicht vergessen. Auch sie würden sich über ein neues Zuhause freuen.

Artikel von Dominik Jahn

Jetzt kommentieren Autorin: Anita 11.12.2014 11:43
17
November
2014

Wie viele Sklaven arbeiten für Sie? von Sandra Klein

In der Öko-Test November 2014 las ich diesen höchst interessanten Artikel und ich finde, dieser Artikel ist es wert von allen gelesen zu werden.




Wie viele Sklaven arbeiten für Sie?

Sklaven gibt es auch im 21. Jahrhundert noch - obwohl diese brutale Form der Knechtschaft seit 1956 von den Vereinigten Nationen geächtet wird. Das glauben Sie nicht? Dann lesen Sie mal, wie viel Ausbeutung hinter all den Sachen steckt, die wir täglich nutzen.

von Sandra Klein




Sie schürfen in Minen nach Rohstoffen, schleifen Diamanten, schleppen Kakaofrüchte durch die heiße Sonne, pflücken auf Plantagen Baumwolle, knüpfen Teppiche in stickigen Fabriken, schwitzen bis zu 20 Stunden am Tag über Nähmaschinen oder verkaufen ihren Körper: Weltweit werden Millionen Menschen zur Arbeit gezwungen. Sie sind moderne Sklaven, denn sie schuften ohne Lohn und gegen ihren Willen - auch für unsere Alltagsgüter.
Wie viele Menschen für Sie persönlich ausgebeutet werden, können Sie selbst herausfinden: Die Webseite slavery footprint.org errechnet nach einem Test die Zahl der Leibeigenen, die sich für einen abarbeiten. Meine eigene ernüchternde Bilanz: Ich beute 55 Menschen aus. Um das herauszufinden, musste ich zehn Fragen zu meinen Lebensumständen und Konsumgewohnheiten beantworten. Wie viel Wohnraum steht mir zur Verfügung? Was esse ich gerne? Welche Kosmetikartikel stehen in meinem Badezimmer? Wie viele Kleidungsstücke hängen in meinem Schrank? Welche Elektroartikel finden sich in meinem Haushalt?
Schnell wird klar, der westliche Lebensstandart ist schlecht für die Bilanz: Bei bestimmten Rohstoffen muss man laut slaveryfootprint einfach davon ausgehen, dass sie von Sklaven geerntet oder abgebaut wurden: Coltan beispielsweise, das Erz ist ein wichtiges Bauelement in Smartphones und anderen elektrischen Gadgets. Aber auch Körpermilch, Make-up & Co.. können einen Ursprung in der Sklaverei haben. Viele Rohstoffe, beispielsweise das Kokosöl, werden vor Ort teils unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt.
Ganz nebenbei liefert die Webseite zusätzlich Informationen: Etwa, dass in Indiens Teppichhochburg Uttar Pradesh über 200.000 Kinder wie Sklaven in Baumwollspinnereien schuften. Sie werden geschlagen, missbraucht und um ihr Geld betrogen. Oder dass die Arbeitsbedingungen in vielen asiatischen Garnelenzuchtanlagen unmenschlich sind: Vor allem Arbeiter aus Burma und Kambodscha müssen auf den Schiffen bis zu 20 Stunden am Tag arbeiten, sie werden misshandelt und gefoltert.

Schuld sind die Rohstoffe

Hinter slaveryfootprint.org steckt Justin Dillon. In der Welt der Nichtregirungsorganisation ist er kein Unbekannter. 2008 sorgte sein Film Call + Response für Aufsehen. Er machte vielen Menschen in der westlichen Welt erstmals deutlich, wie weit verbreitet die moderne Knechtschaft ist. Seine Webseite slaveryfootprint.org, die vom US-Innenministerium finanziert wird, durchleuchtet die Produktionsketten hinter den verschiedenen Konsumgütern, besser gesagt die einzelnen Rohstoffe. Jedem dieser Rohstoffe ist eine durchschnittliche Zahl an Sklaven zugeordnet. Grundlage für die Berechnungen sind Berichte der amerikanischen Ministerien, der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, der Korruptionsindex von Transparency International und der Freedom House Index. 400 Alltagsgegenstände und Lebensmittel, ihre Wertschöpfungskette und die Arbeitsbedingungen wurden von der Organisation auf Arbeitsrechtsverletzungen, Kinderarbeit, Zwangsarbeit und Drohungen untersucht. Die Zahl, die der Rechner ausspuckt, ist dabei nur ein Richtwert, betonen die Verantwortlichen von slaveryfootprint. In seiner jetzigen Form unterscheidet das Tool zum Beispiel noch nicht, ob ich mein Baumwollshirt beim Billigdiscounter gekauft oder mich für die ethisch korrektere Version aus dem Fairtradeshop entschieden habe.

Wer ist ein Sklave

In der offiziellen Sprache gilt ein Mensch als Sklave, der zur Arbeit gezwungen wird, der wirtschaftlich ausgebeutet wird und sich nicht selbst aus dieser Situation befreien kann. Ihm wird die Freiheit versagt, er wird von anderen benutzt und kontrolliert. Weltweit gibt es nach ILO-Schätzungen 21 Millionen Opfer von Zwangsarbeit.
Ein kürzlich veröffentlichter Bericht beziffert die Profite, die jährlich in der Privatwirtschaft durch moderne Formen der Sklaverei erzielt werden, auf 150 Milliarden US-Dollar. Mehr als die Hälfte der Zwangsarbeiter sind Frauen und Mädchen, sagt die ILO. Sie werden oft in Privathaushalten festgehalten oder sexuell ausgebeutet bzw. in die Prositution gedrängt. Männer und Jungen arbeiten gegen ihren Willen in der Landwirtschaft, auf dem Bau und in Bergwerken. In Mauretanien, Haiti und Pakistan ist die Sklaverei tief verwurzelt, in absoluten Zahlen leben die meisten Leibeigenen in Indien. Dort sind viele Menschen in der Schuldknecht gefangen. Sie haben sich selbst für einen Kredit verpfändet und müssen nun die Rückstände bei ihrem Geldverleiher - den Eigentümern von Bergwerken, Steinbrüchen, Ziegeleien oder landwirtschaftlichen Plantagen - abarbeiten. Ein Entkommen ist nicht möglich. Die Zinsen sind so horrend, dass sie den gezahlten Niedriglohn übersteigen. Nach dem Tod werden die Schulden an Ehepartner und Kinder vererbt. Ganze Familien und Dörfer sind so über Generationen hinweg gefangen in der Sklaverei.
Der renommierte Sklaverei-Forscher Kevin Bales schätzt, dass heute mindestens 27 Millionen Menschen weltweit in Verhältnissen leben, die der Sklaverei ähneln. Der amerikanische Soziologe ist Mitglied im Komitee von Anti-Slavery internationalen Menschenrechtsorganisation, berät die Vereinten Nationen und hat zahlreiche Bücher zum Thema veröffentlicht. "In vielen Ländern der Welt werden Menschen entführt und gefangen gehalten, verkauft und verschoben, in Schuldknechtschaft und Leibeigenschaft gepresst, an ihre Arbeitsplätze gekettet, misshandelt und geschlagen. Nicht alle werden gewaltsam versklavt. Arme und Ungebildete geraten häufig aus Not in ausbeuterische Arbeitsverhältnisse und in die Schuldenfalle", beschreibt Bales den modernen Menschenhandel in seinem Buch Die neue Sklaverei.
Er kennt auch die Gründe, warum heute so viele Menschen in Zwangsarbeit gefangen sind: Werden etwa Gesetze gegen Sklaverei nicht durchgesetzt, sind die Menschen dem Phänomen besonders ausgeliefert. Armut, Geschlecht, Angehörigkeit zu einer Volksgruppe oder Migration spielen ebenfalls eine Rolle. Und: Je korrupter ein Land ist, desto mehr Sklaverei gibt es.
Mit den modernen Leibeigenen verdienen organisierte Kriminelle, skrupellose Fabrik- und Minenbesitzer Milliarden. In früheren Zeiten waren Sklaven auf eine zynische Weise wertvoll. Ihre Arbeitskraft und ihr Verkaufswert sollte erhalten bleiben. Heute haben Menschenhändler und Sklavenhalter es nicht einmal nötig, Rücksicht auf solche wirtschaftlichen Überlegungen zu nehmen", beklagt Bales. Der Grund ist einfach: Es gibt genügend Menschen, die in bitterer Armut leben. Ein Sklave ist keine Investition mehr, er ist ein "Wegwerfartikel". "Viele sehen sich gezwungen, jede Form von Arbeit anzunehmen und jede Bezahlung zu akzeptieren, sei sie auch noch so miserabel. Oft geraten Menschen in eine Notlage, zum Beispiel wenn ein Familienmitglied krank wird. Sie müssen dann Kredite für Medikamente aufnehmen und Wucherzinsen dafür bezahlen - und werden zu Schuldknechten, die die Zahlungs- und Arbeitsbedingungen des Gläubigers erdulden müssen. Auch Kinder müssen oft zum Familieneinkommen beitragen, weil es sonst einfach nicht reicht, um zu überleben", erklärt Dr. Iris Stolz, Referentin Kinderrechte bei terre des hommes Deutschland e.V. Der Verein, der 1967 von engagierten Bürgern gegründet wurde, um schwer verletzten Kindern aus dem Vietnamkrieg zu helfen, unterstützt aktuell in 32 Ländern knapp 400 Projekte.

Coltan, Baumwolle und Kakao...

...sind gute Beispiele für Produkte, die unter menschenunwürdigen Bedingungen geschürft bzw. geerntet werden. Das Material Coltan ist unverzichtbar für die Hightechindustrie, es wird unter anderem in Kondensatoren für Smartphones und Computer verbaut. Bis zu 80 Prozent der Vorkommen liegen, so wird geschätzt, in Afrika, vor allem in der Demokratischen Republik Kongo. Im Osten des Landes tobt seit Jahrzehnten ein grausamer Bürgerkrieg, der rund fünf Millionen Menschen das Leben gekostet hat. Milizen haben die Kontrolle der Bergbauanlagen an sich gerissen, sie nehmen den Arbeitern den wertvollen Rohstoff weit unter Wert ab, stehlen es oder nutzen Sklaven. Mit bloßen Händen klauben hier sogar Kinder das Coltan aus dem Boden, sie müssen oft tagelang in dunklen Tunneln graben.
2008 hat sich der französische Fernsehjournalist Patrick Forestier für eine Reportage in das Gebiet der Minen und Rebellen gewagt. UNO-Helfer und Arbeiter erzählten ihm von Mädchen, die in den Minen als Sexsklavinnen gehalten würden, und von Männern, die geköpft wurden, weil sie nicht mehr arbeiten konnten.
Seitdem hat sich nicht so viel verändert. es gibt ein inoffizielles Embargo, nahezu alle produzierenden Länder meiden Rohstoffe aus der Region. Der Versuch, mit der Zertifizierung von Minen die Konfliktfreiheit der exportierten Erze von offizieller Seite zu bestätigen, kommt nicht recht voran.
Dank mafiaähnlicher Strukturen landet das Kongo-Coltan trotzdem auf den Rohstoffbörsen der Industrienationen und damit in den digitalen Geräten der Verbraucher. EU-Handelskommissar Karel de Gucht wollte eine Verordnung auf den Weg bringen, wie importiertes Erz besser kontrolliert werden kann. Der Widerstand der Industrie dagegen war allerdings groß. Herausgekommen ist eine Regelung, die Menschenrechtler erzürnt. Die Industrie wollte eine freiwillige Selbstverpflichtung, und genau das hat sie bekommen, sagt die Nichtregierungsorganisation Global Witness, die die Verbindungen zwischen Rohstoffausbeutung, Konflikten, Armut, Korruption und Missachtung von Menschenrechten transparenter machen will.
Zwangsarbeit ist auf den Baumwollfeldern Usbekistans sogar staatlich verordnet. Der drittgrößte Baumwollexporteur der Welt schickte jeden Sommer und Herbst bis zu zwei Millionen Kinder statt in die Schule auf die Felder. Beim sogenannten weißen Gold hält die Regierung alle Fäden in der Hand, der Staat kauft die gesamte Baumwollernte zu einem willkürlich festgesetzten Preis auf. Den Gebietsverwaltungen schreibt die usbekische Obrigkeit Quoten vor, die diese dann mithilfe der öffentlich Angestellten erfüllen muss. Die Kinder erhielten für ein Kilogramm Baumwolle gerade einmal ein paar Cent, für Unterkunft und den Bus, der die Truppe aufs Feld fuhr, mussten sie teilweise sogar selbst aufkommen, berichtet das "Uzbek-German Forum for Human Rights" (UGF) in seinem Report on the 2013 Cotton Harvest.
Nachdem die Missstände bekannt wurden, boykottierten zwar einige große Unternehmen Baumwolle aus Usbekistan, darunter tesco, H&M, Adidas, C&A, Walmart, Levi Strauss, Marks&Spencer und Gucci. Doch Usbekistan verkaufte seinen kostbaren Rohstoff trotzdem prächtig weiter - und zwar nach Asien. Und hier schließt sich die Kette der Abhängigkeiten wieder, denn in Bangladesch, Indien, Pakistan und China lassen die zuvor genannten Unternehmer ihre Kleidung herstellen. Da aber auch die dortigen Zulieferer wieder ihre eigenen Zulieferer haben, lässt sich am Ende gar nicht mehr zurückverfolgen, woher die Baumwolle stammt - der Boykott trägt also kaum dazu bei, die unmenschlichen Arbeitsbedingungen vor Ort zu verbessern.
Die UNO-Konventionen gegen Kinderarbeit hat Usbekistan zwar 2008 unterschrieben, 2012 sah sich die Regierung dann aufgrund der Negativschlagzeilen gezwungen, ein Verbot gegen Kinderarbeit zu erlassen. seitdem dürfen Jugendliche erst ab 16 Jahren auf die Felder. 2013 erlaubte die Führung schließlich der Internationalen Arbeitsorganisation, während der Erntezeit die Arbeitsbedingungen auf den Feldern zu überprüfen. die schließt ihren Bericht recht diplomatisch ab: Man habe zwar nicht feststellen können, dass kinder systematisch zur Arbeit auf den Feldern gezwungen worden sind, aber in dem meisten besuchten Schulen fand kein Unterricht statt, die Klassenräume waren leer. Menschenrechtsorganisationen sehen sich in ihren Befürchtungen bestätigt, das Uzbek-German Forum for Human Rights schenkt den ILO-Daten wenig Vertrauen. Die Kontrolleure hätten nicht ungehindert arbeiten können, lautet ein Vorwurf. Sie wurden von regierungsbeamten begleitet, was dazu geführt habe, dass die Befragten nicht frei und wahrheitsgemäß antworten konnten. Zudem sollen Kinder gezielt während der Inspektionen von den Baumwollfeldern zurück in die Klassen gebracht worden sein, heiß es in einem aktuell veröffentlichten UGF-Report. Ähnliche Kritik äußert die Organisation "Cotton Compain": Die ILO habe übersehen, dass Kinder gezwungen wurden, ein falsches Alter anzugeben, dass sie bei Kontrollgängen urplötzlich in die Schule geschickt wurden oder dass sie weit abseits in den Feldern arbeiten mussten, damit man sie aus der Ferne nicht sehen konnte.
Selbst wenn es inzwischen weniger Kinderarbeit gibt, die Lücke in der staatlich organisierten Landwirtschaft müssen andere füllen. Krankenschwestern, Ärzte und Büroarbeiter wurden bei der letzten Ernte zum pflücken auf die Baumwollfelder geschickt. offiziell ist die Arbeit eine "Ehre". Inoffiziell drohen den Staatsdienern bei Nichterscheinen die Kündigung und Geldstrafen.

Ein bitterer Nachgeschmack

Die Missstände auf Kakaoplantagen, vor allem in Westafrika, sind spätestens seit dem Jahr 2000 öffentlich bekannt. damals schockierte ein Fernsehbericht der BBC die Welt. Die Journalisten deckten den Handel mit Kindern aus Burkina Faso, Mali und Togo auf. Menschenhändler hatten die Mädchen und Jungen als Sklaven für den Kakaoanbau in die Elfenbeinküste verkauft. den Bildern folgten Presseberichte, Nichtregierungsorganisationen nahmen Stellung. Die European Cocoa Association, der Verbund der großen europäischen Kakaohändler, nannte die Anschuldigungen falsch und übertrieben.
Was dann folgte, ist immer dasselbe: die Industrie wies erst einmal alle Berichte zurück, mit geschickter Lobbyarbeit wurde ein Gesetzentwurf gegen die Versklavung von Kindern und missbräuchliche Kinderarbeit im Kakaoanbau gekippt. Was blieb, war eine weiche, freiwillige und rechtlich nicht bindende Vereinbarung. Unsere ÖKO-TESTs zeigten: fast kein Hersteller kann belegen, dass seine Produkte nicht mit missbräuchlicher Kinderarbeit bzw. unter Zwang hergestellt wurden.
Bleibt die Frage: Ist unsere Wirtschaft auf die Arbeit von Sklaven angewiesen? Frühere Schätzungen für den jährlichen Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation lagen bei 44 Milliarden US-Dollar, aktuell beziffert die ILO den Gewinn auf 150 Milliarden US-Dollar im Jahr. 51,8 Milliarden davon stammen aus Zwangsarbeit in Asien. Es mag sich makaber anhören: Der Profit, der mit jedem Sklaven erwirtschaftet werden kann, ist dort aber eher gering, 5.000 US-Dollar im Jahr, weiter hinten liegt nur Afrika mit 3.900 US-Dollar. Richtig Gewinn machen kriminelle Organisation mit Zwangsprostitution und anderen Formen der Unterdrückung in Europa - in den Industrieländern sind es 34.800 US-Dollar für jeden einzelnen Menschen. Kann es also einen Kapitalismus ohne Sklaverei geben? Ja, sagt Kevin Bales. Seiner Meinung nach hätte die Abschaffung von Zwangsarbeit und Schuldenknechtschaft keine Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Die Produkte würden sich nicht verteuern. Ein Grund: Sklaven sind nur minimal produktiv, zudem als Konsumenten völlig ausgeschlossen von der Wirtschaft. Verlieren würden nur jene, die von der illegalen Sklavenarbeit leben.

Ist ein Ende in Sicht?

Diese Aussage würde Alexander Riesen von der Abteilung Lateinamerika des Bischöflichen Hilfswerks Misereor e.V. nur bedingt unterschreiben. "Sklaven generieren ihren Mehrwert. Sie kosten wenig Geld, produzieren aber fleißig. Wie viel Profit hinter dem ganzen System steckt, kann man an dem Aufwand erkennen, mit dem die betroffenen Menschen klein gehalten werden." Alexander Riesen kennt die unmenschlichen Arbeitsbedingungen im Norden und Nordosten Brasiliens, dem Armenhaus des Landes. Sklavenähnliche Verhältnisse gehören dort traditionell zur Wirtschaft. Sei es nun bei der Abholzung des Regenwaldes, der Herstellung von Holzkohle, bei Viehzucht oder Ackerbau.
"Es ist ein obligarchisches System, das im Norden von Brasilien sehr ausgeprägt ist. In einer Region, in der der Staat kaum präsent ist. Wenige Familien geben den Ton an. Die Richter vor Ort werden eingeschüchtert oder sind Teil des Systems. Gesetze gegen Sklavenarbeit gibt es, ihre Umsetzung funktioniert aber nur sehr bedingt." Alexander Riesen berichtet von Menschen, die sogenannten Gatos (Katern), mit falschen Versprechen angeworben werden, in der Hoffnung auf einen bezahlten Job. "Schnell landen sie in der Schuldenfalle. Die Kosten der Reise werden ihnen berechnet. Lebensmittel können sie nur auf den Fazendas ihrer Arbeitgeber zu völlig überteuerten Preisen kaufen. Andererseits werden sie nur gering entlohnt." die Rückstände aufzuarbeiten ist unmöglich, da ständig neue entstehen. Oftmals müssen sie für den Transport vom Schlaf- zum Arbeitsplatz oder die Arbeitsgeräte aufkommen. Das hat zur Folge, dass die modernen Sklaven nicht mehr "angekettet" werden müssen, Schulden, Einschüchterungen und Todesandrohungen fesseln sie an ihren Patron. Versucht einer die Flucht, endet die nicht selten tödlich.
"Natürlich gib es viele Gesetze und internationale Konventionen, die Zwangsarbeit und Sklaverei verbieten. Es mangelt aber an der Durchsetzung und offenbar sind Geldgier und Machttrieb bei vielen Menschen groß genug, um vor dieser extremen Form der Ausbeutung nicht zurückzuschrecken und das Risiko, erwischt zu werden, in Kauf zu nehmen. Der bei Weitem größte Teil der Zwangsarbeit wird nicht entdeckt und damit auch nicht bestraft", erklärt Dr. Iris Stolz von terre des hommes.

Auf dem Papier gibt es Gesetze

Was müsste man also tun, um Sklaven- bzw. Kinderarbeit ein für alle Mal abzuschaffen? "Aus meiner Sicht müssen vor allem die Ursachen bekämpft werden, also die extreme Armut, die Unkenntnis der eigenen Rechte als Mensch und auch manche kulturelle Normen, in denen die extreme Ausbeutung bestimmter Bevölkerungsgruppen akzeptiert wird, wie in Indien das Kastensystem." Dr. Iris Stolz prangert menschenunwürdige Löhne an. "Dass zum Beispiel die Näherinnen in den Textilfabriken Indiens, die auch unsere T-Shirts herstellen, nur zwei oder drei Euro am Tag bekommen, spiegelt den Wert ihrer Arbeit nicht und ist nicht akzeptabel. Wir müssen existenzsichernde Löhne und Preise nicht nur hier bei uns einfordern, sondern in der ganzen globalisierten Welt." Terre des hommes fordert zudem soziale Sicherungssysteme, die in Notfällen wie Krankheit oder Tod oder auch bei extremer Armut die Familien unterstützen.
"Es gibt keine schnelle Lösung, um Kinder- und Zwangsarbeit komplett zu beenden", sagt Sarah Rieper, Projektreferentin für Asien und Zentralamerika in der Organisation Save the Children. "Die verschiedenen Akteure sind gefragt. Der Staat muss Strukturen schaffen, damit die Kinder geschützt sind. Bildung muss gefördert werden. Familien müssen unterstützt werden, damit Kinder nicht für den Lebensunterhalt mit verdienen müssen. Unternehmen und auch Verbraucher müssen hinterfragen, unter welchen Bedingungen produziert wird." Save the Children arbeitet beispielsweise mit der Ikea Foundation zusammen. Gemeinsam setzen sich die Partner für Kinder in Indiens Baumwollindustrie ein. Bis Sklavenarbeit wirklich Geschichte ist, will der Selbsttest auf slaveryfootprint.org das Bewusstsein der Menschen für das Problem stärken. Am Ende des Fragenkatalogs werden die Nutzer aufgefordert, eine vorformulierte Mail an die bekanntesten Unternehmen zu schicken. sie sollen doch bitte die Produktionskette ihrer Güter bis an ihren Ursprung untersuchen, die damit verbundenen Arbeitsbedingungen kontrollieren und wenn möglich verbessern.

Bericht von Sandra Klein, erschienen in der Zeitschrift ÖKO-TEST im November 2014

Jetzt kommentieren Autorin: Anita 17.11.2014 15:10
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